Lesung: Von den bösen Weingärtnern Mk 12,1-11
Und er fing an, zu ihnen in Gleichnissen zu reden: Ein Mensch pflanzte einen Weinberg und zog einen Zaun darum und grub eine Kelter und baute einen Turm und verpachtete ihn an Weingärtner und ging außer Landes. 2 Und er sandte, als die Zeit kam, einen Knecht zu den Weingärtnern, damit er von den Weingärtnern seinen Anteil an den Früchten des Weinbergs nähme. 3 Da nahmen sie ihn, schlugen ihn und schickten ihn mit leeren Händen fort. 4 Abermals sandte er zu ihnen einen andern Knecht; dem schlugen sie auf den Kopf und schmähten ihn. 5 Und er sandte einen andern, den töteten sie; und viele andere: die einen schlugen sie, die andern töteten sie. 6 Da hatte er noch einen, den geliebten Sohn; den sandte er als Letzten zu ihnen und sagte sich: Sie werden sich vor meinem Sohn scheuen. 7 Sie aber, die Weingärtner, sprachen untereinander: Dies ist der Erbe; kommt, lasst uns ihn töten, so wird das Erbe unser sein! 8 Und sie nahmen ihn und töteten ihn und warfen ihn hinaus vor den Weinberg. 9 Was wird nun der Herr des Weinbergs tun? Er wird kommen und die Weingärtner umbringen und den Weinberg andern geben. 10 Habt ihr denn nicht dieses Schriftwort gelesen: »Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, der ist zum Eckstein geworden. 11 Vom Herrn ist das geschehen und ist ein Wunder vor unsern Augen[1]«?
Predigt
Ein Mann will ein Bild aufhängen. Den Nagel hat er, nicht aber den Hammer. Der Nachbar hat einen. Also beschließt unser Mann, hinüberzugehen und ihn auszuborgen. Doch da kommen ihm Zweifel: Was, wenn der Nachbar mir den Hammer nicht leihen will? Gestern schon grüßte er mich nur so flüchtig. Vielleicht war er in Eile. Aber vielleicht war die Eile nur vorgeschützt, und er hat etwas gegen mich. Und was? Ich habe ihm nichts angetan; der bildet sich da etwas ein. Wenn jemand von mir ein Werkzeug borgen wollte, ich gäbe es ihm sofort. Und warum er nicht? Wie kann man einem Mitmenschen einen so einfachen Gefallen abschlagen? Leute wie dieser Kerl vergiften einem das Leben. Und dann bildet er sich noch ein, ich sei auf ihn angewiesen. Bloß weil er einen Hammer hat. Jetzt reicht's mir wirklich. – Und so stürmt er hinüber, läutet, der Nachbar öffnet, doch noch bevor er "Guten Tag" sagen kann, schreit ihn unser Mann an: "Behalten Sie Ihren Hammer, Sie Rüpel!"
Sie merken schon: In dieser kleinen Geschichte von Paul Watzlawick aus seinem Buch: Anleitung zum Unglücklich sein, eskaliert etwas so ähnlich, wie in unserer biblischen Geschichte, wo die Weingärtner keine Weintrauben abgeben wollten.
Es gibt Menschen, die sehr intensiv darüber nachdenken, wie das Miteinander unter Menschen gelingen kann. Dazu gehört Paul Watzlawick, der uns die Geschichte mit dem Hammer erzählt hat, und der uns damit zum Schmunzeln über uns selbst bringen wird. Er will uns aber auch den Spiegel vorhalten. Und mit Humor verpackt, tun wir uns leichter, seine Gedanken anzunehmen.
Wie Watzlawick, so denkt auch Marshall Rosenberg darüber nach, wie Menschen miteinander so reden können, dass möglichst alle zu ihrem Recht kommen, dass keiner den anderen mundtot machen oder beleidigen muss. Rosenberg ist der Erfinder der Gewaltfreien Kommunikation. Er hat in seinen Seminaren, in denen er den Menschen seine Methode vorgestellt hat, viel mit Handpuppen gearbeitet. Als Tier für eine gewaltfreie Sprache wählte er die Giraffe. Denn die Giraffe ist das Landtier mit dem größten Herzen. Die Giraffensprache ist die Sprache des Herzens.
Mit ihrer Körpergröße und ihrem langen Hals hat die Giraffe einen super Überblick über Situationen. Deshalb kann sie gut beobachten. Und dann horcht sie in ihr großes Herz hinein: Was sind denn da für Gefühle? Ist es Wut, Enttäuschung, Traurigkeit, Neid, Unsicherheit, Müdigkeit? Diese Gefühle zeigen der Giraffe den Weg, wie sie erkennen kann, was sie gerade wirklich für sich selbst braucht, damit es ihr gutgeht.
Der Gegenspieler der Giraffe ist der Wolf. Der Wolf spricht eine Sprache voller Gewalt. Er hat keinen so guten Überblick wie die Giraffe. Häufig wählt der Wolf das Bellen, wenn er etwas sagen will. Er bedroht und beleidigt. Wenn der Wolf sich bedroht fühlt, springt er vielleicht sogar Leute an zeigt seine Krallen und Zähne oder tötet.
Der Wolf stellt sich selbst in den Mittelpunkt. Die Giraffe sagt: Du bist mir wichtig.
Der Wolf macht Druck, um seine Ziele zu erreichen. Die Giraffe sucht gemeinsam mit anderen nach Lösungen.
Der Wolf urteilt, er belohnt und bestraft. Die Giraffe hört zu, ohne gleich zu bewerten.
Der Wolf macht Vorwürfe und verursacht so Schuldgefühle, wie z.B. Scham oder Angst. Die Giraffe vermittelt Wertschätzung dem anderen gegenüber.
Der Wolf sucht die Auseinandersetzung und den Machtkampf, bei dem es Gewinner und Verlierer gibt.
Die Giraffe sucht das Miteinander, sodass am Ende alle zufrieden sind.
In jedem von uns wohnen beide Tiere: Der Wolf und die Giraffe. Es ist wichtig, den eigenen Wolf in mir zu kennen. Sein Gebell ist ein Geschenk, dass ich genauer hinschaue und hinhöre und hin fühle, was der Wolf in mir möchte. Alles, was der Wolf macht, ist ein wertvoller Hinweis, denn der Wolf führt mich zu meinen unerfüllten Bedürfnissen.
Erst, wenn ich weiß, was ich brauche, dass es mir gut geht, dann kann ich auch anfangen, darauf zu achten, was die Menschen um mich herum brauchen und dann kann ich auch darauf eingehen.
Es kommt darauf an, wen ich mehr füttere in meinem Leben, die Giraffe und ihre Gefühle oder den Wolf mit seinen Machtgelüsten.
In unserer heutigen biblischen Geschichte finden wir auch die Giraffe und den Wolf. Die Giraffe baut einen Weinberg mit viel Liebe und vermietet ihn. Aber die, die den Weinberg gemietet haben, sollen nun Miete zahlen und Weintrauben abgeben. Da werden die Mieter zum Wolf. Sie wollen alles selbst behalten. Darum beschimpfen, schlagen und töten sie alle die Knechte, die zu ihnen geschickt werden, um die Miete in Form von Weintrauben abzuholen.
Aber als die Wölfe auch vor seinem eigenen Sohn nicht Halt machen und ihn töten, da wir sogar der Weingärtner kurzfristig zum Wolf. Er übt Rache und tötet nun selbst. Bisher hat er nur die Giraffensprache gesprochen. Das liegt an seinem Bedürfnis: Er möchte doch, dass es weiter geht mit dem Weinberg. Darum will er den Weinberg in andere, ja in bessere Hände geben.
Der Besitzer hat bisher in seinen Weinberg so viel Liebe hineingesteckt. Diese Liebe lässt sich nicht töten. Diese Liebe stirbt auch nicht.
Dieses biblische Gleichnis ist für mich eine Einladung, trotz Gewalt und Wolfsprache immer wieder nach dem Weg der Liebe zu suchen und mich in der Giraffensprache zu üben. Und das geht so: 1. Beobachte ich, was ich sehe und höre. 2. Höre ich auf meine Gefühle 3. Sage ich, was ich mir wünsche und was ich brauche. 4. Und dann, zum Schluss, bitte ich um etwas, das erfüllt werden kann. Diese Bitte kann auch abgelehnt werden.
Meine Hoffnung ist, dass am Schluss von Geschichten zwischen Menschen Glaube, Hoffnung und Liebe gewinnen. Die Liebe aber ist die Größte unter ihnen. Oder wie es in dem Kinderlied so schön heißt: Gottes Liebe ist so wunderbar. Und das ist für mich dann das Wunder, von dem am Ende in unserer scheinbar trostlosen Geschichte die Rede ist, wenn die Giraffe und der Wolf und der Mann mit dem Hammer sich gegenseitig freundlich sagen können, was sie brauchen, damit es ihnen gut geht. Amen.